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Ich hätte nie gedacht, dass das Habsburgervermögen 107 Jahre nach dem Ende der Monarchie noch einmal ein Thema wird, aber das Leben hat doch immer eine Überraschung parat!

Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Schmuckstücke, die man nach dem ersten Weltkrieg für verloren/ gestohlen/verkauft/verschollen hielt, tatsächlich in einem Bankschließfach in Kanada den Lauf der Zeit überstanden haben. Bei diesen Preziosen handelt es sich nicht um ein paar Ringerl und Halsketterl aus dem Besitz der seligen Kaiserin Zita, sondern um „echte Klunker“, darunter z.B. der „Florentiner“ ein gelblicher Diamant von 137 Karat. Sowas weckt Begehrlichkeiten!

In den Foren der Zeitungen, in den sozialen Medien, im Wartezimmer beim Hausarzt und im Kaffeehaus, überall wird das Thema in aller Breite diskutiert. Von „Enteignen muss man sie, ist eh alles durch die Steuern unserer Ur-ur-Großeltern bezahlt“ bis zu „Eine Beschlagnahme des Familieneigentums ist völlig unrealistisch“ ist alles dabei.

Tatsächlich muss man sehr genau differenzieren, was man unter dem ehemaligen Habsburger Besitz versteht. Wir austriaguides führen auch in und durch Schlösser der (engeren und weiteren) Familie Habsburg, da werden wir des Öfteren gefragt: „Sagen Sie, wie gibt’s das eigentlich, dass dieses Schloss den Habsburgern gehört – die sind doch alle nach dem ersten Weltkrieg enteignet worden?“

Ganz so war das nicht, daher versuche ich mich mal an einer „Entwirrung“ der Geschichte.

3 verschiedene Arten von Vermögen

Das wichtigste gleich zu Beginn: „ein“ ganz großes Vermögen des Kaiserhauses gab es nie! Wir unterscheiden

  • das hofärarische Vermögen: gab’s „schon immer“, weil ein Landesfürst (egal, ob König, Kaiser, oder sonstwas) repräsentieren muss. Er ist – wie auch heute der Bundespräsident – der oberste Repräsentant des Staatswesens (wie immer das auch aussieht)
  • das gebundene Vermögen: seit 1765
  • das Privatvermögen: ist einzelnen Personen zuzurechnen und nicht der gesamten Familie

 

Was ist nun was?

 

Das hofärarische Vermögen

ist immer Staatseigentum gewesen, aber der jeweilige Landesfürst/Kaiser konnte darüber verfügen. Dabei handelt es sich um jenen Teil des Staatsvermögens, der für die Zwecke des Hofes und für die Hofhaltung bestimmt war. Dieser Besitz wurde von den Hofämtern verwaltet, daher stammt auch die Terminologie „hofärarisch“)[1]. Im Grundbuch dieser Liegenschaften war nicht die kaiserliche Familie, sondern das Hofärar als Eigentümer eingetragen. Da es immer Staatsvermögen war, ist es auch nach dem Untergang der Monarchie im Eigentum des Staates geblieben. Damit liegt hier keine Enteignung vor, sondern mit dem Ende des Herrscherhauses hat das hofärarische Vermögen schlicht und ergreifend seine Zweckbestimmung verloren: wo es keinen Hof mehr gibt, hält auch niemand mehr Hof – aus ist’s mit der Repräsentation!

Zum hofärarischen Vermögen gehörten zum Beispiel: die Hofburg, Schloss Schönbrunn und Schloss Belvedere, der Augarten und der Lainzer Tiergarten, die Schatzkammer und die Silberkammer, die Nationalbibliothek, das Burgtheater und die Staatsoper, das Naturhistorische und Kunsthistorische Museum, …- sie alle verblieben mit dem Habsburger Gesetz bei der neu entstandenen Republik Österreich.

 

Das gebundene Vermögen

Jetzt wird es ein bisschen komplizierter. Den überaus massiven Grundstein für das, was wir heute als „gebundenes Vermögen“ bezeichnen, legte Franz Stephan von Lothringen, Gemahl von Maria Theresia, ab 1745 als Franz I. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Dieser war (leider oder Gott sei Dank) mit einer äußerst rührigen Frau verheiratet, die ihm zwar den Titel überließ, selbst aber die Regentschaft übernahm.

So wurde aus Franz Stephan ein „Gentleman mit Tagesfreizeit“ und die nütze er äußerst produktiv! Auf seinen Reisen durch Holland, Schlesien oder England hielt er stets die Augen offen, um zu Hause auf den habsburgischen Gütern umzusetzen, was ihm fortschrittlich und ertragreich erschien. Land- und Forstwirtschaft, Fischzucht, Weinbau – kein Bereich war vor ihm sicher. Er experimentiert mit neuen Anbaumethoden, setzt Maschinen ein, strafft Arbeitsabläufe, was schnell dazu führt, dass die Gewinne aus der Landwirtschaft massiv ansteigen. Dieses Geld investiert er wiederum in Manufakturen, wie z.B. Tonwarenfabriken (irgendein Teller bricht immer) und Tuchwebereien, die ebenfalls erfreuliche Erträge brachten, hat doch die Armee einen immensen Bedarf an Stoffen für Uniformen. Auch die Versorgung des Heeres mit Waffen und Pferden nahm der geschäftstüchtige Kaiser in die Hand. „Nebenbei“ spekulierte er an den Börsen Europas und war auch an der österreichischen Lotterie beteiligt -wohl der klügste Schachzug von allen!

Nach seinem unterwarteten Tod 1765 hinterlässt er seiner Frau und seinem Sohn Joseph II ein Vermögen von rund 18 Millionen Gulden! Zwei Drittel davon nutzten Mutter und Sohn um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren, mit dem Rest (ca. 5,9 Millionen Gulden) errichteten sie den Familienfonds (auch „Familienversorgungsfonds“) „… zur besseren Versorgung und Standsmässigen Unterhalt Unserer Kinder und Abstammung; … und gleich wie wir aus diesem Fond die Versorgung Unserer Familie übernehmen; also solle Sie auch künftig dem Staat nicht weiter zur Last fallen, als was sonsten wegen des Brautschatzes und der Ausstaffirung bey Unserem Haus gewöhnlich ist“.

Dieser Fonds ist die Basis des Habsburgervermögens. Der Umstand, dass er nicht für öffentliche Zwecke bestimmt war, war für die damalige Zeit sensationell, denn bis dahin hatten die europäischen Herrscherhäuser nicht klar zwischen der Staatskasse und ihrem Privatvermögen unterschieden. Dir Gründung des Familienfonds war der Grundstein für die Trennung zwischen Staats- und Privatvermögen. Vom „gebundenen“ Vermögen spricht man, weil es sich um einen Fonds mit Zweckwidmung handelt.

 

Das Privatvermögen

„Da die führenden Habsburger nix gearbeitet haben wo ein Lohn oder Gehalt gezahlt wurde, können die diese Schätze ja gar nicht privat gekauft haben.“ (wörtliches Zitat aus dem Forum einer österreichischen Tageszeitung)

Ganz so ist es nicht!

Aus dem Fonds, den Franz Stephan erwirtschaftet hat, erhielten die Familienmitglieder ihre Apanagen – also quasi ein Gehalt. Allerdings eines, mit dem sich wahrhaft luxuriös leben ließ und die einzelnen Brüder, Kinder, Onkel, … ließen Teile ihres Einkommens wiederum für sich arbeiten: sie kauften und verkauften Güter, beteiligten sich an Unternehmen, spekulierten an der Börse – was man so tut, wenn man Geld hat. Schon der Volksmund weiß „wo Tauben sind, fliegen Tauben zu“ und so hat sich der Privatbesitz der einzelnen Habsburger brav vermehrt.

Auch Kaiserin Elisabeth „Sisi“ hatte ein glückliches Händchen für Investitionen: bei den Österreichischen Staatsbahnen, der DDSG, der Alpine Montan Gesellschaft, auf dem Aktienmarkt und bei den Rothschilds mehrte sie ihr privates Vermögen, während Franz Joseph ohne Murren die üppigen Ausgaben seiner Angetrauten aus seiner eigenen Apanage beglich.

 

In die private Sphäre gehört natürlich auch alles, was man sich erheiratet hat, was einem auf dem Erbwege zufällt und natürlich auch alle Geschenke. Zu diesen zählen auch die 27 diamantbesetzten Sterne, die Kaiser Franz Josef beim Hofjuwelier Köchert anfertigen ließ, um sie seiner Sisi zum ersten Hochzeitstag zu schenken. Die war ob dieses Präsents zweifelsfrei privat erfreut, hat die Schmuckstücke aber auch getragen, um damit das Reich und den Ruhm der Habsburger zu repräsentieren.

Heute kennt sie jedes Kind durch das Bild von Franz Xaver Winterhalter.

Die Sterne erhielt im Jahr 1900 übrigens ihre Enkelin Elisabeth Marie zur Hochzeit geschenkt, danach verliert sich deren Spur.

 

Auch die Kaiservilla in Bad Ischl war ein Geschenk. Die Mutter von Franz Joseph kaufte Grundstück und Gebäude (damals deutlich kleiner) vom Arzt Eduard Mastalier und schenkte den Besitz dem jungen Paar zur Hochzeit. Nach dem Tod des Kaisers 1916 erbte seine seiner jüngsten Tochter, Erzherzogin Marie Valerie. Sie war mit Erzherzog Franz Salvator aus der Linie Österreich-Toskana verheiratet, und gab im Jahr 1920 die Erklärung ab, auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich zu verzichten. Daher ist die Kaiservilla bis heute im Besitz der Familie Habsburg.

 

Klare Grenzen?

Man möchte meinen, dass damit alles klar wäre. Mitnichten! Mit dem Habsburgergesetz greift die junge Republik nämlich auf das gebundene Vermögen zu und das hat einen guten Grund.

Man stelle sich vor, ein Fonds kauft vom Staat einen Wald, ein Schloss, ein Zinshaus, … Fonds und Staat werden von derselben Familie geführt. Die Annahme liegt nahe, dass der Preis, um den der Staat diese Güter verkauft, nicht allzu hoch sein wird. Man kann also davon ausgehen, dass der Staat in diesem Fall einen geringeren Gewinn macht, als würde er Gebäude oder Ländereien auf den freien Markt verkaufen. Oder andersherum: der Fonds kauft zu billig ein und erwirtschaftet daher einen überhöhten Gewinn. Insiderhandel hieße das heute wohl.

Auch die Nutzung der Güter war nicht klar in privat und staatlich getrennt. Man sieht das sehr gut am Beispiel von Mürzsteg. Nach seinem ersten Besuch im Jahr 1852 war Kaiser Franz Joseph von diesem Revier so begeistert, dass er es zum „Allerhöchsten Hofjagdgebiet“ erklären ließ und dem Kaiser-Franz-Joseph-I.-Fideikommiss einverleibte (auch dieser war Teil des gebundenen Vermögens). Von 1854 bis 1905 fanden dort Hofjagden statt – das Revier diente somit auch als Repräsentationsort für Staatsbesuche und nicht nur als Vermögensfaktor für den Fonds oder als privater Erholungsort.

Eindeutige Zuordnungen sind auf dieser Basis schwer zu treffen.

 

Was hat es nun mit den wieder aufgetauchten Schmuckstücken auf sich?

(M)eine sehr neutrale Sachverhaltsdarstellung lautet: diese Juwelen haben mit Kaiser Karl dem Letzten nach dem ersten Weltkrieg das Land verlassen.

Zuvor waren sie in den Räumlichkeiten der Schatzkammer aufbewahrt. Das deutet schon recht klar darauf hin, dass es sich um Stücke handelt, die „beruflich“ getragen wurden, also „um den Glanz und das Ansehendes Erzhauses zu mehren“, denn der wirkliche Privatschmuck ist immer in den Wohnräumen aufbewahrt worden.

Es könnte aber trotzdem sein – siehe das Beispiel mit Sisis Diamantsternen, mit denen sie öffentlich geglänzt hat – dass sie privat gekauft wurden. Da die Hofverwaltung sehr genau Buch geführt hat, was staatlich bzw. privat finanziert war, sollte sich diese Frage einigermaßen rasch klären lassen.

Beim „Florentiner“ ist die Geschichte aber noch um eine Facette reicher: der war Teil eines Staatsgeschäfts. Der spätere Gemahl von Maria Theresia, Franz Stephan von Lothringen musste nämlich sein ererbtes Herzogtum gegen die Toskana tauschen. Grund dafür war, dass Frankreich nicht von Habsburger Territorien umzingelt sein wollte. Der Gürtel aus österreichischen Besitzungen (österr. Niederlande, die Vorlande, …) rund um Frankreich wäre durch den Erwerb Lothringens durch Habsburg geschlossen worden. Daher musste Franz Stephan sein ererbtes Herzogtum gegen die Toskana tauschen. Im Zuge dieses staatspolitischen Aktes, der Übernahme der Toskana durch den ehemaligen Herzog von Lothringen und Bar, wechselte auch der Florentiner in die Hände der Familie Habsburg-Lothringen.

Auch, wenn ich ein juristischer Laie bin: nach einem „privaten Erwerb“ schaut das für mich nicht aus. Dass bereits die Außerlandesbringung des Schmucks rechtswidrig gewesen sein dürfte, ist in diesem Zusammenhang beinahe als „Petitesse“ anzusehen.

In meiner Kristallkugel sehe ich es ganz deutlich: diese Angelegenheit wird uns noch sehr lange beschäftigen und es wird beileibe nicht alles schön sein, was da noch kommt. Aber Sie geneigte Leserin und geschätzter Leser, wissen jetzt zumindest ein bisschen mehr und auf der Basis historischer Fakten diskutiert es sich gleich deutlich besser!

[1] Von lat. „aerarium“, das war die römische Staatskasse. Heute meint der Begriff „Fiskus“ in etwas dasselbe: das materielle und immaterielle Vermögen eines Staates.

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